Einblicke ins Forschungsinstitut für biologischen Landbau FiBL

01. Februar 2023

Das Forschungsinstitut für biologischen Landbau FiBL ist eine der weltweit führenden Forschungseinrichtungen zur biologischen Landwirtschaft. Dieses Jahr feiert das FiBL das 50-jährige Jubiläum. Im Interview ist Knut Schmidtke, Direktor für Forschung, Extension & Innovation.

Mit welchen aktuellen Herausforderungen beschäftigt sich das FiBL?

Pflanzen und Tiere leiden unter der Klimaerwärmung. Wir müssen einerseits angepasste Produktionssysteme entwickeln. Andererseits wollen wir alles tun, um die Landwirtschaft in Richtung Klimaneutralität voranzubringen. Etwa mit dem Einsatz von Pflanzenkohle und Agroforstsystemen. Nun kann das FiBL sich auch erstmals umfassender der Grünlandbewirtschaftung widmen. Immerhin sind in der Schweiz zwei Drittel und global 60 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche Grünland.

Wie könnten solche Anpassungsstrategien aussehen?

Die Pflanzenbestände müssen ebenfalls gegenüber Trockenheit und Hitze toleranter werden. Wir brauchen tiefwurzelnde Pflanzen, welche die Ertragssicherheit im Sommer stärken. Und wir müssen aus Grünland auch mehr Futter für Huhn und Schwein erzeugen. Zum Beispiel eine auf Weissklee basierte Fütterung der Legehennen entwickeln. So können wir die Konkurrenz zwischen Futter- und Lebensmittelproduktion mildern.

Was leistet die Bioforschung am FiBL?

Die Stärken des FiBL sind interdisziplinäre Forschung, gemeinsame Innovationen mit Landwirt:innen und der Lebensmittelbranche, lösungsorientierte Entwicklungsprojekte und ein rascher Wissenstransfer von der Forschung in die Praxis.  
Das FiBL unterstützt die Entwicklung zukunftsfähiger Landwirtschaft in Afrika, Asien, Lateinamerika und Osteuropa in enger Zusammenarbeit mit lokalen Partnerorganisationen. FiBL-Forscher:innen untersuchen in Langzeitversuchen lokale und biologische Anbausysteme und bieten Expertise im Bereich der Marktentwicklung an.

Welche weiteren Forschungsfelder gewinnen an Bedeutung?

Die Transformation der Ernährungssysteme ist ebenfalls ein wesentliches Zukunftsfeld. Was ist in der Schweizer Landwirtschaft und in der gesamten Lebensmittelkette zu tun, um dem Trend hin zu mehr pflanzlichen Nahrungsmitteln zu entsprechen? Und mehr als bisher müssen wir die Ernährung der Weltbevölkerung absichern und zugleich die planetaren Grenzen einhalten.

Wir befinden uns in einer globalen Biodiversitätskrise. Welche Bestrebungen gibt es in Richtung Biodiversität?

Wir kommen aus der klassischen Produktion, wo ein Zuckerrübenfeld ein Zuckerrübenfeld ist und eine Kartoffelfeld ein Kartoffelfeld. Da steht nichts anderes. Bio sollte künftig heissen, immer mehrere Pflanzen kombiniert anzubauen. Weg von der Reinsaat. Am FiBL müssen wir erforschen, wie und mit welchen Arten man das am besten macht. Das ist bei Zuckerrüben sicher schwierig. Aber wir haben es auch noch nicht systematisch versucht. Es würde auch das Aussehen des Biofeldes stark verändern. Da würde zum Beispiel «Blühhafer» stehen. Man sähe ihm das Bio von Weitem an.

Am Bio-Ackerbautag sagten Sie, Sie wollen das «System Bio» voranbringen. Was meinten Sie damit, zum Beispiel in Abgrenzung zur Agrarökologie?

Es gibt keine eindeutige Definition, was zu einem agrarökologischen Ansatz dazugehört und was nicht. Kann der Einsatz eines Totalherbizides Bestandteil eines agrarökologischen Systems sein? Diese Frage ist wissenschaftlich nicht beantwortet. Was Bio bedeutet, ist hingegen genau und auch gesetzlich definiert. Gleichzeitig ist Bio wohl die Bestpractice innerhalb des agrarökologischen Ansatzes, vielleicht noch nicht beim sozialen, zumindest aber bei den meisten Aspekten. Bio sollte Vorreiter für die agrarökologische Entwicklung sein.

Schraubt das FiBL damit die Anforderungen an Bio-Betriebe weiter hoch?

Unser Ziel sollte sein, die Identität der Bio-Produkte weiterzuentwickeln, damit sie ihre Bedeutung in Gesellschaft und Politik behalten. Vorreiterin dabei ist eher Bio Suisse, die das Profil der Knospe-Produkte schärfen will und den Mehrwert gegenüber der Kundschaft kommuniziert.

Die Forschung gibt auch der Politik Wissen in die Hand. Was, wenn sie wider besseres Wissen entscheidet? Darf Wissenschaft dann politisch werden?

Die einzelnen Forschenden können als Privatperson jederzeit politisch aktiv werden. Als Institution sollten wir da zurückhaltend sein. Unsere primäre Aufgabe ist es, Wissen zu generieren und Systeme weiterzuentwickeln. Aus diesem Wissen und der Erfahrung kann das FiBL aber durchaus auch eine klare Aussage treffen, wie wir es etwa zugunsten der Hof- und Weidetötung machten. Denn alle wissenschaftlichen Studien zeigen, dass eine Ausdehnung des Transportzeitraumes auf 90 Minuten hygienisch vertretbar ist.

Ein Wort zu den neuen Gentechnik-Verfahren: Man kennt das Risiko weder für Mensch noch Umwelt. Wie steht das FiBL dazu?

Die offenen Fragen lassen sich sicher nicht alle in den nächsten zehn Jahren beantworten. Ich kenne natürlich das Anliegen, das FiBL möge sich in dieser Frage auch politisch klarer positionieren. Wir überlassen es eher den Interessenverbänden wie Bio Suisse oder international der IFOAM, eine klare Position zu fassen. Vom FiBL wird es eher eine Stellungnahme geben. Im Sinne: Wenn man im Biolandbau keine neuen Gentechniken will, sprechen diese und jene wissenschaftsbasierten Argumente dafür. Diese könnten in die Debatte eingebracht werden. Also eine klare Rollenteilung.

Zur Person

Knut Schmidtke ist seit April 2020 als Direktor für Forschung, Extension & Innovation Teil der dreiköpfigen Direktion und Vorsitzender der Geschäftsleitung des FiBL Schweiz. Zuvor war er an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Dresden Professor für Ökologischen Landbau, von 2015 bis 2020 zusätzlich Prorektor für Forschung und Entwicklung

Dies ist eine leicht angepasste und gekürzte Version eines Interviews, das im Bioaktuell 1/23 erschienen ist. Redaktion: Stephanie Fuchs, Bilder Archiv Bio Suisse und FiBL. 

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