Die Landwirte Sabrina und Severin Müller lieben all ihre Tiere – das Tiroler Grauvieh, die Ziegen, die Freiberger-Pferde, den neugierigen Kater und Hund Cora. Doch das Federvieh hat in Sabrina Müllers Herz einen speziellen Platz. Die gelernte Verkäuferin ist auf der «Hasenburg», einem jurassischen Bauernhof aufgewachsen und auf dem Hof ihres Mannes Severin in ihrem Element: Hier ist sie unter anderem verantwortlich für 500 Legehennen der Rasse Lohmann brown.
Die Legehennen von Sabrina und Severin Müller legen täglich beste Bio-Freilandeier. Sie zeigen, wie das Ei aus dem Stall in den Eierkarton kommt – und warum manche ein extra Herz verdient haben.
Ein gutes Leben für Legehennen
Gruppen von jeweils 250 Hennen bewohnen zwei mobile Ställe auf einer Weide des 29 Hektaren grossen Betriebs. Sie teilen sich ihre Hühnerweide mit ein paar stolzen Hähnen und zwei Ziegen. «Die Ziegen sind die Bodyguards», sagt Sabrina Müller, denn grössere Tiere sollen Fressfeinde wie Fuchs und Habicht fernhalten. Der Wald ist nah und die Fläche gut überschaubar. Trotz aller Vorsicht gibt es manchmal Tiere, die es nicht rechtzeitig in den Stall schaffen. «Das gehört bei der Freilandhaltung leider dazu», sagt die Bäuerin.
Die Freilandhaltung ist besonders artgerecht und trägt dazu bei, dass die Hennen sich wohlfühlen und gesund bleiben. Sabrina Müller ist es ein Anliegen, dass ihre Legehennen ein gutes Leben bei ihr haben. «Immerhin legen die Hühner jeden Tag ein Ei für uns, die haben nie frei.»
Auf dem Bio-Hof von Müllers haben die Hühner jede Menge Auslauf, Platz zum Scharren und Picken unter freiem Himmel, im Aussenklimabereich sowie in ihrem Scharraum im Stall. Jede Woche wird ausgemistet. Nach etwa zwei Jahren werden die Tiere geschlachtet und zu Geflügelprodukten verarbeitet oder als Suppenhuhn verkauft. «Es wird nichts verschwendet», sagt Sabrina Müller.
Mit zunehmendem Alter nimmt die Legeleistung der Hennen ab. Um in der landwirtschaftlichen Produktion die Nachfragespitzen nach Eiern abbilden zu können, wurde früher primär im Jahresumtrieb produziert. Das heisst, die Hennen wurden nach einem Jahr Legetätigkeit geschlachtet.
Seit ein paar Jahren werden Legehennen insbesondere auf Biohöfen deutlich länger gehalten. Heute werden die Hennen auf Biohöfen im Schnitt bereits gut eineinhalb Jahre gehalten, Tendenz steigend. Geschlachtete Bio-Legehennen kommen als Suppenhuhn in den Verkauf oder werden zu Bio-Geflügelprodukten verarbeitet.
Der Haldenhof in Wallbach
Severin und Sabrina Müller führen seit 2016 den Haldenhof in Wallbach im Kanton Aargau. Sie halten Mutterkühe der Rasse Tiroler Grauvieh mit ihren Kälbern und eigene sowie Pensionspferde. Zudem halten sie Legehennen und ziehen Bruderhähne für Gallina auf. Müllers bauen Backweizen, Mais und Soja an. Eier gibt’s im Abo und im Selbstbedienungs-Kühlschrank auf dem Grundstück. Auf Bestellung verkaufen sie gefrorene Geflügelprodukte. Ihr Betrieb ist 29 Hektaren gross.
Kein Ei gleicht dem anderen
Alles zu verwerten ist die goldene Regel für Sabrina Müller. Sie sammelt die gelegten Eier zweimal täglich aus den Legenestern und stapelt sie in wiederverwertbaren Eierpappen. Findet sie ein Ei am Boden, schlägt sie es auf und wirft es in die Wiese – für hungrige Wildtiere und Raubvögel.
Die eingesammelten Eier sortiert Sabrina Müller im Vorraum ihres Hauses. Dafür legt sie jedes Ei einzeln auf ein Förderband – täglich um die 430 Stück. Die Eier werden automatisch gewogen und rollen langsam in die Gewichtsklassen XS, S, M, L oder XL. In der Regel wiegt ein Medium-Ei mindestens 53 Gramm.
Wöchentlich beliefert Sabrina Müller Metzgereien, Bäckereien, Restaurants und regionale Läden mit ihren Bio-Eiern. Auch Privathaushalte im Dorf bekommen mit dem Eier-Abo jede Woche frischen Nachschub. Die Nachfrage nach Bio-Eiern aus artgerechter Haltung nimmt in der Schweiz seit Jahren zu.
Die dicke Seite gehört nach oben, die Spitze nach unten. Das ist so, weil sich im dickeren Bereich eine Luftkammer befindet. Dreht man das Ei mit der Spitze nach oben, ist die Luftblase unten und wandert langsam hoch. Dabei kann sie die Eihaut ablösen. Das führt dazu, dass Keime leichter ins Ei eindringen können. Deswegen sollte die dicke Seite, also die Luftkammer, oben sein.
Der Kühlschrank ist kein Muss. Eier lassen sich auch bei Zimmertemperatur drei Wochen lang lagern. Man sollte einen Ort mit gleichbleibender Temperatur wählen. Es sollte nicht zu warm sein und direkte Sonneneinstrahlung ist zu vermeiden. Sind die Eier jedoch einmal an einem Ort gelagert, sollte man diesen nicht mehr wechseln, denn Temperaturschwankungen tun den Eiern nicht gut. Sind die Eier also schon im Kühlschrank, bleiben sie am besten dort.
Bei ungekochten Eiern kann man mit dem Wassertest herausfinden, ob sie noch frisch sind. Dazu legt man ein Ei in ein Glas mit Wasser. Sinkt es zu Boden und bleibt unten liegen, ist es noch frisch. Wenn es sinkt, aber aufrecht steht, ist es schon etwas älter, aber noch gut. Eier, die oben schwimmen, sind älter als 28 Tage und nicht mehr gut. Eier verlieren mit zunehmendem Alter Feuchtigkeit. Dadurch werden sie leichter und ihre Luftkammer wird grösser.
Was tun mit nicht perfekten Eiern?
Spätestens bei der Sortierstation ist klar: Kein Ei gleicht dem anderen. Junge Hühner legen meist gleichmässig geformte Eier mit glatter Schale. Manche sind so gross wie eine Kinderfaust, andere kaum grösser als ein Tischtennisball. Je älter ein Huhn ist, desto eher legt es Eier, die nicht typisch eiförmig sind. Von täglich 430 Stück sind das jeweils um die 90. Bei diesen Eiern ist die Gefahr, dass sie kaputtgehen, gross. Darum werden sie in zwei Kategorien eingeteilt: Das «Grosi-Ei» geht nur knapp am Schönheitsideal vorbei. Es ist für alle Eier-Gerichte geeignet, sollte aber nicht als 3- oder 5-Minuten-Ei zubereitet werden, weil dann die Schale brechen könnte.
Diese Eier kennzeichnet Sabrina Müller liebevoll mit einem kleinen Herz. Es soll den Kundinnen und Kunden zeigen, dass sie Herz beweisen, indem Sie auch diese Eier kaufen und somit einem Huhn ein möglichst langes Leben bescheren. Indem die Kundinnen und Kunden auch Eier mit kleinen Schönheitsfehlern kaufen, verhindern sie, dass Legehennen bereits nach einem Jahr geschlachtet werden müssen. «Je mehr die Konsumentinnen und Konsumenten darüber wissen, wie ein Ei aus dem Stall in den Laden kommt, desto mehr Verständnis haben sie auch für nicht ganz so perfekte Eier.»
Eier mit sehr welliger und dünner Schale sind als Back-Eier beliebt bei Metzgereien und Bäckereien. Hat ein Ei bereits einen Haarriss oder eine Delle beim Handling erhalten, verwendet Sabrina Müller es so schnell wie möglich selbst.
Der Bruderhahn gehört zu Ei und Henne
Sabrina und Severin Müller halten auf ihrem Hof nicht nur Legehennen, sondern ziehen seit 2022 auch Bruderhähne und Poulets auf. Für sie war es der nächste logische Schritt zu mehr Tierwohl. Gemäss den Bio Suisse Richtlinien müssen ab 2026 auch die Bruderhähne aufgezogen werden. Mit der Hahnenaufzucht schliesst die Branche den Kreis zwischen der Eier- und der Fleischproduktion.
Nah beim Wohnhaus haben Müllers zwei zusätzliche mobile Ställe für jeweils 500 Junghähne aufgebaut. Noch vertragen sie sich gut miteinander. Das typische Dominanzgebahren entwickeln Hähne erst später. Obwohl sie jede Menge Platz auf der Weide haben, bleiben die Junghähne dicht beim Stall. Sie haben einen möglichen Fressfeind – einen Milan – wahrgenommen, der über der Wiese kreist.
Die Tiere werden nach frühestens 63 Tagen geschlachtet. Damit werden sie gleich lange und mit dem gleichen Futter gemästet wie Poulets – mit unterschiedlichem Ergebnis.
Ein Bio-Bruderhahn erreicht nach 63 Tagen ein Schlachtgewicht von einem Kilogramm. Das ganze Bruderhahn-Güggeli liegt bei etwa 600 Gramm.
Bruderhähne liefern dunkleres und aromatischeres Fleisch als ein Poulet. Ihre Brustfilets und Schenkel sind klein. Sie eignen sich gut zum Kurzbraten. Sabrina Müller bereitet mit dem feinen Fleisch gern alle möglichen Poulet-Gerichte zu, etwa Geschnetzeltes oder Curry.
Dass ihre Tiere irgendwann auf den Teller kommen, stimmt für Sabrina Müller. «Ich sorge dafür, dass es ihnen von Anfang bis Ende gut geht. Es ist schön zu wissen, was für Fleisch ich esse. Für mich gibt’s nichts besseres.»
Ein Bruderhahn ist der Bruder einer Legehenne. In der Eierproduktion wurden früher nur die weiblichen Hühner aufgezogen. Die männlichen Küken wurden getötet, weil sie keine Eier legen und nicht so viel Fleisch ansetzen wie Masthühner. Bei Bio Suisse müssen ab Januar 2026 alle männlichen Küken aufgezogen werden. Denn wie in der Natur gehören Ei, Henne und Hahn zusammen.
Bruderhähne werden nicht so gross und schwer wie Mastpoulets. Ihre Fleischstücke sind kleiner und haben einen festeren Biss. Sie eignen sich besonders zum Kurzbraten. Ausserdem werden sie zu verschiedenen Geflügelprodukten weiterverarbeitet.
Kurz: Ein Bruderhahn ist der Bruder der Legehenne. Er wird in der Schweiz auf Bio Suisse Betrieben und Demeter-Höfen aufgezogen.
Ab Januar 2026 müssen nach den Bio Suisse Richtlinien alle Küken aufgezogen werden, sowohl die weiblichen als auch die männlichen. Die Bruderhahnaufzucht bringt höhere Kosten in der Produktion mit sich. Sie brauchen beispielsweise mehr Futter, weil sie langsamer wachsen und weniger Fleisch ansetzen. Deswegen finanzieren die Eier der Legehennen einen Teil der Bruderhahn-Aufzucht mit.
Wer Bio-Eier kauft, unterstützt für ein paar Rappen mehr pro Ei die Aufzucht aller Küken, auch der männlichen. Zudem kann man bei Bio-Eiern sicher sein, dass das Tierwohl hoch ist. Hühner und Hähne haben in der biologischen Landwirtschaft viel Platz im Stall, im Wintergarten und auf der Weide.