Säure, Süsse, Saft und Schorle

07. November 2022

Die diesjährige Menge an Biomostobst ist durchschnittlich, die Qualität dafür hoch. Das stimmt die Verantwortlichen bei Ramseier zufrieden. Auf Besuch in der Mosterei in Sursee.

Sechserpacks Apfelschorle von Ramseier auf dem Laufband

Bevor die Getränke im Supermarktregal landen, werden sie intensiv geprüft.

Normalerweise rangieren hier Lastwagen. Aus der halben Schweiz liefern sie Mostobst an, das sie bei einer der zahlreichen Landi-Annahmestellen abgeholt haben. Heute jedoch, sind es vor allem Bio-Produzentinnen und -produzenten aus der Region, die gestaffelt mit ihren landwirtschaftlichen Fahrzeugen bei der Mosterei Ramseier im luzernischen Sursee vorfahren.

Um die gelieferte Menge zu bestimmen, müssen die Fahrzeuge vor und nach dem Abladen auf eine Waage. Mitarbeiter in Leuchtwesten geben Anweisungen und kontrollieren die Ware. Zu beanstanden haben sie nichts.

Marco Clavadetscher von Ramseier

In seiner Funktion als Leiter Marketing und Verkauf ist Marco Clavadetscher auch Mitglied der Geschäftsleitung von Ramseier.

Ausschliesslich Schweizer Früchte

«Wir sind mit der diesjährigen Bioqualität sehr zufrieden», sagt Marco Clavadetscher, Leiter Marketing und Verkauf bei Ramseier. Die Hitze und die Trockenheit im Sommer hätten zwar zu vorzeitigem Fruchtfall und Mengeneinbussen geführt, aber: «Aufgrund der hohen Sonneneinstrahlung sind die Früchte sehr aromareich.»

Laut Prognosen wird Ramseier 2022 rund 3000 Tonnen Biomostäpfel und 450 Tonnen Biomostbirnen verarbeiten. Eher Durchschnitt. Zum Vergleich: Im Spitzenjahr 2018 waren es zwei- respektive dreimal so viel. «Etwa die Hälfte des Biomostobsts, das für die gewerblichen Mostereien in der Schweiz bestimmt ist, landet bei uns», sagt Marco Clavadetscher. Das gelte auch für konventionelles Mostobst, wobei dort das Volumen bei 40 000 bis 60 000 Tonnen liegt. Alle Früchte stammen aus der Schweiz.

«Wir sind mit der diesjährigen Bioqualität sehr zufrieden»
Marco Clavadetscher, Leiter Marketing und Verkauf bei Ramseier

Versteckte Bio-Tradition

In Sursee dauert die Mostsaison jeweils von Mitte/Ende ­August bis Mitte November. In Oberaach im Kanton Thurgau, wo Ramseier zusammen mit der Landi Aachtal eine weitere Mosterei betreibt – die grösste der Schweiz –, beginnt alles gut zwei Wochen früher.

Biomostobst verarbeitet die Fenaco-Tochter seit über 25 Jahren. Heute produziert die 1910 gegründete Ramseier drei Bioobstsaftgetränke: Apfeldirektsaft, Apfel­schorle und Zisch Apfel. Erhältlich sind diese exklusiv bei Coop und in einem Fall bei der Migros. Trotzdem oder gerade deswegen ist Bio auf der Unternehmenswebsite so gut wie inexistent. «Wir kommunizieren primär über unsere eigene Marke, weniger über Labels und Kanäle von Partnern.»

Äpfel und Birnen werden komplett verwertet

Doch zurück in die Mosterei in Sursee: Um Kreuzkontaminationen mit Pestiziden zu verhindern, werden alle Anlagen vorher gut mit Frischwasser durchgespült. Durchgespült werden unterdessen auch Abertausende von Biomostäpfeln, die über Schwemmkanäle ihrer letzten Bestimmung entgegentreiben. Bis auf ein paar wenige faule Exemplare, die zwei Mitarbeiter an einem Sortiertisch vom Fliessband picken, landen die Früchte als Nächstes in der Rätzmühle, wo sie zu Maische zerkleinert werden.

Nach der Zugabe eines mikro­biellen Enzyms (Pektinase), das unter anderem für eine bessere Saftausbeute sorgt, gelangt die Maische über Rohre in vier rotierende, jeweils 10 Tonnen fassende hydraulische Filterpressen. «Wir gewinnen aus 10'000 Kilogramm Obst rund 8000 Liter Obstsaft», erklärt Clavadetscher. Ramseier könne mit den vier Pressen in Sursee pro Tag im 24-Stunden-Betrieb bis zu 640 ­Tonnen Mostobst verarbeiten. «Aus dem Trester, der übrig bleibt, wird Tierfutter. Die Äpfel und Birnen werden also komplett verwertet, inklusive Kerne und Stiele.»

Gabelstapler kippt Äpfel in Behälter.

In Sursee betreibt Ramseier eine von zwei grossen Mostereien. Während der Saison, die jeweils von August bis November dauert, ist der Mittwoch in der Regel für die Verarbeitung von Bio-Mostobst reserviert.

Der Geschmack der Natur

Die trübe Flüssigkeit schmeckt intensiver als gewohnt. Fehlt nur das Pasteurisieren und schon hat man den abfüllbereiten Direktsaft. Wobei diesem je nach Rezeptur zuerst noch Birnensaft zugesetzt wird, weil er dem Geschmack «zuträglich» sei, wie es Clavadetscher formuliert. «Der Birnensaftanteil darf einfach nicht über 10 Prozent liegen, wenn man das Produkt in der Schweiz noch als ‹Apfelsaft› ausloben will.»

Um beim Geschmack zu bleiben: Dieser kann von Jahr zu Jahr leicht variieren, je nach Erntezeitpunkt, -menge und -qualität. Schliesslich handelt es sich um ein Naturprodukt. Und das auch in verschiedenen Varietäten: «Im Biobereich verarbeiten wir vor allem Boskoop, Schneiderapfel und Bohnapfel.» Hinzu kommen Sauergrauech, Reinette, Berner Rose und Grauer Hordapfel, um nur ein paar der knapp 15 Hauptsorten zu nennen. Wichtig bei Mostobst sei ein gutes Säure-Süsse-Verhältnis, sagt Clavadetscher. Insbesondere Früchte von Hochstämmern hätten ein gutes Säureprofil. Auch die Pressbarkeit sei ein wichtiger Faktor.

Konzentrate halten Geschmack einheitlich

Will man den Geschmack eines Apfelsafts über Jahre einheitlich und stabil halten, so geht das nur über den Einsatz von Konzentraten, die entsprechend gemischt und rückverdünnt werden. Die Richtlinien von Bio Suisse lassen dies jedoch nicht zu. Mit einer Ausnahme: Werden Fruchtsäfte mit mehr als 25 Prozent Wasser verdünnt, so darf Kernobstkonzentrat zum Einsatz kommen. Dies ist bei Ramseier bei der Bioapfelschorle (40 Prozent Sprudelwasser) und beim Bio-Zisch Apfel (70 Prozent Sprudelwasser) der Fall. Mit Konzentraten ist eine Produktion das ganze Jahr über möglich, also auch ausserhalb der Mostsaison. Zudem fungieren sie als Puffer oder Reserve nach schlechten Ernten.

Flaschen von Ramseier auf dem Laufband

Zehntausende Halbliter-PET-Flaschen werden an einem Nachmittag mit Bioapfelschorle befüllt.

Vier Verkostungen und eine Analyse

Noch ist aber Mostsaison, und in den Abfüllhallen in Sursee, die zusammengenommen ungefähr so gross wie ein Fussballfeld sind, werden an diesem Nachmittag Zehntausende Halbliter-PET-Flaschen mit Bioapfelschorle befüllt, etikettiert und mit Schrumpffolie zu Sechserpacks gebündelt. Nimmt man die gesamte Obstsaftproduk­tion von Ramseier zusammen, also auch die konventionelle, so liegt die durchschnittliche Jahresproduktion bei 40 Millionen Litern oder 16 Olympia-Schwimmbecken.

Bevor ein Ramseier-Produkt das Gelände verlässt, ist dessen Qualität fünfmal geprüft worden: viermal sensorisch und einmal im Labor. Die erste Qualitätskontrolle führt der Kellermeister durch, der den Saft direkt ab Presse degustiert; die zweite Verkostung findet auf der Abfüllanlage statt; die dritte, wenn die fertige Flasche vom Band rollt. «Die vierte und letzte Verkostung findet am Folgetag durch ein Fachgremium statt», sagt Clavadetscher. Dieses bestehe aus Angestellten der Getränkeaufbereitung, Produktion, Qualitätssicherung und der Abteilung Marketing und Verkauf. Befindet die Testgruppe das Produkt für gut und sind auch die Laborwerte in Ordnung, wird es freigegeben. Dass eine Charge im letzten Moment gestoppt und vernichtet werden muss, kommt laut dem 38-Jährigen äusserst selten vor.

Preise werden steigen

Zur Entwicklung neuer Biogetränke sagt Marco Clavadetscher, dass Ramseier sich diesbezüglich regelmässig mit den Abnehmern austausche. Die Möglichkeiten seien jedoch begrenzt, da das Getränkesortiment im Schweizer Detailhandel stark umkämpft sei. Was Ramseier aber viel mehr Bauchweh macht, ist die politisch-wirtschaftliche Weltlage. Derzeit wird alles teurer, von den Rohstoffen und der Energie über die Produktion und die Verpackung bis hin zum Transport. Die Konsequenzen sind noch nicht absehbar. Eines ist laut Marco Clavadetscher jedoch klar: «Wir kommen um eine Preiserhöhung nicht herum.»

Text und Bilder: René Schulte (aus Bioaktuell 8/22)

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