Tiergesundheit im Fokus: Damit sich Schweine sauwohl fühlen

31. Januar 2023

Die Förderung des Tierwohls ist fest verankert im Leitbild von Bio Suisse. Artgerechte Haltung, Bio-Futter, ausreichend Platz und Auslauf gehören dazu. Doch auch Tiere auf Bio-Höfen werden mal krank. Und dann? Zwei Bio-Schweinezüchter erzählen, wie sie sich um die Gesundheit ihrer Tiere sorgen.

Zwei Schweine liegen im Stall.
(Claudia Frick/Bio Suisse)

Was sind die Unterschiede zwischen konventioneller und Bio-Schweinehaltung?

This Vögele: Biologische Betriebe müssen ihren Tieren ab dem 24. Tag bis zur Schlachtung Auslauf gewähren. Die Säugezeit beträgt mindestens 42 Tage, im konventionellen Bereich liegt sie bei durchschnittlich 28 Tagen. Die Tiere müssen zudem Zugang zu Raufutter haben und die Stallungen müssen mit langem Stroh eingestreut werden.

Andreas Bracher: In der konventionellen Haltung sind Ausläufe bei Mastschweinen und Galtsauen nur in speziellen Programmen vorgeschrieben, aber nicht generell.

Welche Rahmenbedingungen kann ein Bio-Schweinebauer für die Gesundheit seiner Tiere setzen?

This Vögele: Ziel ist es, bestmögliche Grundbedingungen zu schaffen, damit möglichst wenige äussere Einflüsse die Gesundheit der Tiere beeinträchtigen. Die Schweine müssen ihren natürlichen Tätigkeiten nachgehen können. Ausläufe und Weiden sind hierfür zwar wichtig, jedoch müssen diese so angelegt sein, dass keine Erreger von anderen Tieren oder Menschen in den Bestand kommen. Der respektvolle Umgang des Tierhalters mit seinen Tieren ist extrem wichtig.

Andreas Bracher: Notwendig sind Ställe oder Weiden mit einem geschützten und warmen Liegebereich. Auf der Weide sollte kein Morast vorhanden sein. Der könnte gefrieren und nicht mehr zu begehen sein. In der Stallhaltung sollten glatte Böden vermieden werden und die Liegeplätze windgeschützt und frei von Zugluft sein. Im Sommer müssen die Tiere einen Schattenbereich mit Suhle oder Dusche zur Abkühlung haben. Die Fütterung sollte möglichst gut dem Tier angepasst sein. Der Respekt und Umgang mit dem Tier hängt nicht von der Bewirtschaftungsform, sondern von den Besitzer:innen und Betreuer:innen ab – unabhängig ob konventionell, Label oder Bio.

This Vögele ist im Vorstand der Interessensgemeinschaft Bio Schweine Schweiz (IGBSS)

Was kann ein Bio-Schweinebauer bei einer Erkrankung seiner Tiere unternehmen?

This Vögele: Im Bio-Bereich schaffen wir vorsorglich gute Bedingungen mit natürlichen Therapien wie Homöopathie oder Phytotherapie / Pflanzenheilkunde. Im Falle einer akuten Erkrankung werden die handelsüblichen Medikamente durch den Tierarzt verabreicht. Wenn ein Tier während seiner Lebenszeit eine Erkrankung oder Wurmbefall hat und diese Erkrankung nicht behandelt wird, kann dies einen grossen Einfluss auf die Körpergrösse oder die Gesundheit der Organe haben. Dann ist eine Behandlung mit Medikamenten essenziell. Reserve-Antibiotika dürfen nur im Notfall mit einem Antibiogramm eingesetzt werden.

Richtlinien von Bio Suisse zum Antibiotika-Einsatz: 

Die Bio Suisse Richtlinien verbieten jeglichen vorbeugenden Einsatz von Antibiotika und anderen Chemotherapeutika. Diese Wirkstoffe dürfen nur auf Anordnung eines Tierarztes oder einer Tierärztin eingesetzt werden – und zwar nur dann, wenn das Tier mit komplementärmedizinischen Methoden nicht wirksam behandelt werden kann und zum Wohl des Tiers keine andere Behandlung mehr möglich ist. Auf Knospe-Betrieben dürfen Reserve-Antibiotika nur eingesetzt werden, wenn Labortests dies als erforderlich erweisen. Unter anderem bekämpft Bio Suisse damit die Resistenzbildung.

Gibt es genügend Tierärzt:innen für die Bedürfnisse der Bio-Schweinehaltung?

Andreas Bracher: Ich habe den Eindruck, dass viele Tierärzt:innen sich der Biothematik und deren speziellen Vorgaben im Medikamenteneinsatz bewusst sind. Betreffend alternative Heilmittel gibt es jedoch nur wenige, welche uns unterstützen können. 

 

Andreas Bracher ist Präsident der Interessensgemeinschaft Bio Schweine Schweiz (IGBSS)

Ist das Fleisch eines medikamentös behandelten Tieres noch essbar?

This Vögele: Dass die Rückstände im Fleisch abgebaut sind, garantiert die doppelte Absetzfrist (Zeitspanne nach der letzten Anwendung des Arzneimittels bis zur Schlachtung).

Andreas Bracher: Stichprobenmässig wird im Schlachthof das Fleisch auf Medikamentenrückstände untersucht. Ein Tier, das beispielsweise Wurmbefall hat, ist gesundheitlich geschwächt und dessen Innereien dürfen nicht zur menschlichen Ernährung genutzt werden. Ein gesundes Tier bringt ein vitaleres Fleisch.

Schmeckt Bio-Fleisch besser - insbesondere bei Schweinefleisch?

Andreas Bracher: Dadurch, dass das Bio-Schwein langsamer wächst und permanent Auslauf hatte, bringt es auch ein schmackhafteres Fleisch.

Barbara Früh
Barbara Früh ist Co-Leiterin des Departements für Beratung, Bildung und Kommunikation am FiBL
(Andi Basler)

Warum braucht es Tierärzt:innen speziell für die biologische Landwirtschaft?

Barbara Früh: In der Biotierhaltung ist Prophylaxe das A und O der Tiergesundheit. Tierärzt:innen sollten die Betriebe diesbezüglich beraten und unterstützen. Sie benötigen das Wissen dazu, welches über Physiologie und Pathologie hinaus geht. Zusätzlich sind Management- und Haltungsempfehlungen gefragt. Zudem ist der Einsatz von Medikamenten eingeschränkt. Keine Medikamente sollen prophylaktisch verabreicht werden – kritische Antibiotika nur unter ganz restriktiven Bedingungen.

Denn Bio-Landwirt:innen arbeiten ganzheitlich. Alles was sie in den Betrieb einbringen, behalten sie im Betrieb. Das wirkt sich auf Boden und Pflanze aus. Werden den Tieren viele Medikamente verabreicht, finden sich diese nachher auf dem Acker und in den Pflanzen. Dieser Kreislaufgedanke hat manchen Tierärzt:innen in unserer Ausbildung die Augen geöffnet, warum Biobetriebe beim Medikamenteneinsatz zurückhaltend sind.

Text: Oliver Roscher, Bilder: Claudia Frick/Bio Suisse, Andi Basler, zVG His Vögele und Andreas Bracher

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