Wagyu-Rinder aus dem Albulatal – wo Tierwohl und höchste Fleischqualität sich treffen

27. Januar 2022

Im Bündner Albulatal züchtet Bio-Landwirt Flavius Laim Wagyu Rinder, die aufgrund der besonderen Fleischqualität bei Gourmets hoch im Kurs stehen. Anna Pearson besucht den Hof Quarta, wo der visionäre Bio-Landwirt von der Geburt bis zur Schlachtung seiner Tiere alles ein bisschen anders macht. Doch wie steht es um die Bewegungsfreiheit und um das Tierwohl der Wagyu Rinder? Bekommen Sie wirklich Bier und werden massiert, wie es der Mythos sagt?

Wagyu-Rinder stammen ursprünglich aus der Präfektur Hyogo in Japan, ihr Fleisch wird unter dem bekannten geschützten Namen «Kobe» vermarktet – zu horrenden Preisen. Das Fleisch der Wagyu-Rinder zeichnet sich durch eine ausgeprägte, genetisch bedingte und durch entsprechende Mast zusätzlich intensivierte Marmorierung (Fetteinlagerung im Muskelgewebe) aus. Die damit verbundene einmalige Zartheit und Saftigkeit machen das Fleisch auf der ganzen Welt begehrt.

Je mehr Fett umso besser?

Wagyu-Fleisch der höchsten Qualitätsklasse hat einen intramuskulären Fettanteil von bis zu 50% und nicht mehr viel gemeinsam mit dem, was wir uns von «normalem» Rindfleisch gewohnt sind: das Fett hat einen so tiefen Schmelzpunkt, dass es schon zu schmelzen beginnt, wenn man ein rohes Stück Fleisch in den Mund nimmt. Der hohe Fettanteil macht schnell satt, man isst Wagyu-Fleisch deshalb in viel geringeren Mengen. In Japan kommt das Fleisch zum Beispiel in Form von hauchdünnen Scheiben ins «shabu shabu», eine Art japanisches Fondue chinoise.

Das Fleisch vom Bio-Hof Quarta unterscheidet sich aber klar von der extremen Variante des japanischen Wagyu-Beefs: Zwar ist der Fettanteil auch bei den Tieren von Flavius Laim und seiner Partnerin Jeannine Suter um ein Vielfaches höher als jener von üblichem Rindfleisch, er liegt jedoch deutlich unter dem in Japan angestrebten Anteil.

Vom Ferkel zum Wagyu-Züchter

Flavius Laim wächst in Alvaneu auf, wo man rätoromanisch spricht, er absolviert eine Landwirtschaftsausbildung und übernimmt 1988 den leerstehenden Stall seines Vaters. Er investiertin den Kauf einer Zuchtsau und beliefertdie Region mit Ferkeln.1992 kaufte Laim dann seine erste Kuh – «Molly» – und widmet sich fortan vor allem der Rinderzucht. Schon früh macht er vieles anders als die anderen und eckte damit immer wieder an: Der junge Landwirt lässt seine Tiere zum Beispiel auch im Winter an die frische Luft. Damals wurde er dafür als «Tierliquäler» angesehen – man war der Meinung, es sei zu kalt für die Tiere –, heute ist in der Bio-Landwirtschaft regelmässiger Freigang auch im Winter vorgeschrieben.

Eine anspruchsvolle Rasse

Seit 2014 widmet sich Flavius Laim der Zucht von Bio-Wagyu-Rindern und stellt sich den damit verbundenen Herausforderungen: Zum Beispiel geben die auf gute Fleischleistung gezüchteten, reinrassigen Wagyu-Mutterkühe oftmals so wenig Milch, dass diese kaum ausreicht, um das eigene Kalb zu ernähren. Also hat Flavius Laim eine zweite Rasse, die in der Alpenregion beheimateten «Hinterwäldler» eingekreuzt, um die Milchleistung der Kühe zu verbessern. Um eine optimale Fleischqualität zu erzielen, bedarf es ausserdem einer ausgeklügelten Fütterung: werden die Rinder nur mit Gras und Heu gefüttert, kann die charakteristische Marmorierung des Wagyu-Fleisches nicht erreicht werden, ein gewisser Kraftfutter-Einsatz ist deshalb notwendig. Der Bio-Landwirt hält diesen so tief wie möglich und verwendet nur ausgewähltes Bio-Futter. Flavius Laim spricht täglich mit seinen Tieren, sie massieren oder mit Bier füttern hingegen tut er nicht. Dies sind Mythen, die mit der hohen Fleischqualität von Wagyu-Beef zusammenhängen. Der Bierabfluss von Brauereien wird manchmal verwendet, um den Appetit der Rinder, besonders von Zuchtbullen, anzuregen. Dies beeinflusse die Fleischqualität aber nicht.

Viel Bewegungsfreiheit

Die knapp 30 Rinder auf dem Bio-Hof Quarta können sich so viel bewegen, wie sie wollen. Den Sommer verbringen sie immer auf der Alp. Das ist in der Wagyu-Zucht eher eine Ausnahme, denn je weniger sich die Tiere bewegen, umso intensiver wird die Fettmarmorierung und umso höher der Gewinn. In Japan werden die Tiere in der Endmast in ihrer Bewegungsfreiheit meist stark eingeschränkt, weil nur so der angestrebte Fettanteil erreicht werden kann. Die Wagyu-Zucht ist für die meisten Produzent:innen in erster Linie ein lukratives Geschäft. Zulasten des Tierwohles, leider. Doch der Knospe-Landwirt zeigt, dass Qualität und Tierwohl in Einklang gebracht werden können.

Das Tierwohl steht bis zuletzt an erster Stelle

Der visionäre Landwirt geht auch beim Thema Schlachtung seinen eigenen Weg: Vor dem grossen, offenen Stall steht eine Schlachtbox. Flavio Laim schlachtet seine Rinder seit November 2020 direkt auf dem Hof, neuerdings auch Geissen und Schafe. Die nicht ganz günstige Anschaffung wurde gemeinsam mit dem Hotel Stoffel in Arosa getätigt, mit dem Flavio Laim eng zusammenarbeitet: Küchenchef Thomas Krättli und den Rinderzüchter verbindet ein gemeinsames Verständnis von Qualität und nachhaltiger und tiergerechter Landwirtschaft – dazu gehört konsequenterweise auch der letzte Moment im Leben eines Rindes. Hoftötung ist bei uns noch eine Seltenheit, das Tierwohl optimiert  – der Transport ins Schlachthaus ist für ein Tier immer mit einem Stressfaktor verbunden.

Den Transport ins nahegelegene Schlachthaus gestaltete Laim zwar schon früher so stressfrei wie möglich, indem die Tiere etwa bereits im jungen Alter an den Transporter gewöhnt und immer in Begleitung eines Kameraden aus der Herde zum Schlachthof gefahren wurden. Eine würdevolle Tötung findet gemäss Flavio Laim aber an dem Ort statt, wo ein Tier bereits sein ganzes Leben verbracht hat und wo es seine Artgenossen um sich hat – die Hofschlachtung schliesst nun also den Kreis, der auf dem Bio-Hof Quarta von der Geburt bis zum Tod eines Tieres von Wertschätzung geprägt ist.

Verfügbarkeit Bio-Wagyu Fleisch

Übrigens: Der Bio-Hof Quarta verkauft das Wagyu-Fleisch direkt an die gehobene Gastronomie wie ans Hotel Stoffel inl Arosa und Hotel Kurhaus in Bergün oder beliefert das Gasthaus am Brunnen in Valendas ebenso wie das Restaurant La Riva in Lenzerheide.

Auch Privatkunden werden bedient, dafür gibt es Wartelisten für Konsument:innen. Im Frühling wird geschlachtet, Mischpakete zwischen 18-20kg können abgeholt werden. Einige Familien tun sich dafür zusammen und teilen das Paket auf oder holen sich direkt einen Jahresvorrat an hochwertigem Fleisch.

Kontakt via Biomondo.

Text: Anna Pearson, Fotos: zVg Flavius Laim

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