Artgerechte Schweinehaltung in der Schweiz

Schweinefleisch ist beliebt – doch wie leben Schweine in der Schweiz? Wir vergleichen Bio-Haltung nach Bio Suisse mit konventioneller Schweinehaltung und zeigen, was artgerechte Tierhaltung bedeutet.

Schweine im Aussenbereich

In der Schweiz leben auf etwa 5600 Schweinehaltungsbetrieben rund 1,4 Millionen Schweine. Schweinefleisch gehört zu den beliebtesten Fleischsorten: 21 Kilogramm verspeist jede Person in der Schweiz innerhalb eines Jahres, etwa als Wurst, Kotelett, Speck oder Schinken. Etwa die Hälfte vom Schwein essen wir, doch auch die andere Hälfte spielt eine wichtige Rolle. Produkte schweinischen Ursprungs sind in unzähligen Produkten enthalten, von Tierfutter über Gelatine bis zu Seife.

Doch wie leben Mastschweine heute in der Landwirtschaft, und was bedeutet artgerechte Schweinehaltung? Wir beleuchten die Schweinehaltung in der Schweiz und zeigen die Unterschiede zwischen konventioneller und biologischer Haltung auf.

Schweinehaltung früher – Allesfresser im Freien

Schon vor 10‘000 Jahren entdeckte der Mensch das Schwein als Nutztier für sich. Die domestizierten Wildschweine wurden in Herden in Wäldern, auf Weiden und Stoppelfeldern gehalten. Sie ernährten sich von dem, was ihre feinen Nasen erschnüffelten, im Herbst beispielsweise von Eicheln und Kastanien. Die Allesfresser bekamen auch die Küchenabfälle zu fressen. Vor allem für den Eigengebrauch war das Schwein beliebt – es lieferte Fleisch, ohne dass zusätzliches Futter beschafft werden musste.

Lieblingstiere auf dem Bio-Hof Engelsrütti

Was haben Mast- und Wildschwein gemeinsam?

Noch heute haben Mast- und Wildschwein viele Gemeinsamkeiten. Die artgerechte Schweinehaltung nach Bio Suisse Richtlinien nimmt Rücksicht auf diese ursprünglichen Bedürfnisse:

Die Tiere fressen sowohl tierische als auch pflanzliche Nahrung. In der Haltung nach den Bio Suisse Richtlinien bekommen die Tiere pflanzliche Futtermittel. In der Regel erhalten die Tiere eine Futtersuppe aus Eiweiss und Getreide sowie Gras und Heu. Wenn sie im Freiland wühlen, erschnüffeln sie sich ausserdem kleine Tiere wie Regenwürmer und Insekten.

Zwar verbringen Schweine viel Zeit damit, in der Gruppe an einem geschützten Ort zu liegen. Doch in der restlichen Zeit sind sie äusserst aktiv. Sie mögen es, sich zu scheuern, im Schlammbad abzukühlen und ihre Umgebung auf der Suche nach Futter zu erkunden. Dazu nutzen sie ihren Rüssel und wühlen im Boden. In der Schweinehaltung brauchen die Tiere daher eine Umgebung mit Wühlmaterial. Weil Schweine so agil sind, brauchen sie Platz und Auslaufmöglichkeiten. Auf Bio-Betrieben haben alle Schweine diesen Auslauf.

Wildschweine leben in Familiengruppen mit klaren Rangstrukturen, den so genannten Rotten. Diese Gruppen verhalten sich sehr synchron und fressen oder ruhen gleichzeitig. Auch Mastschweine fühlen sich zusammen mit ihren Artgenossen am wohlsten. Deswegen dürfen Schweine nie allein gehalten werden, sondern nur in Gruppen. In der Schweiz gelten für konventionelle Betriebe Höchstbestände von 1'500 Schweinen pro Stall. Auf Bio-Betrieben werden im Schnitt 250 Mastschweine gehalten.

6 Fakten über Schweine

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Würde man ein Mastschwein in die freie Wildbahn entlassen, es würde sich verhalten wie ein Wildschwein: Es würde auf Nahrungssuche gehen und mit seinen Artgenossen eine Rotte bilden.

Zwischen den wilden Vorfahren und den heutigen Mastschweinen bestehen jedoch auch einige offensichtliche Unterschiede: Wildschweine haben ein dickes borstiges Fell und einen Borstenschwanz, während bei Mastschweinen die rosa Haut durch wenige Borsten durchscheint. Ausserdem haben die meisten domestizierten Schweinerassen einen Ringelschwanz. Doch der grösste Unterschied besteht im Züchtungszweck: Rassen für die Landwirtschaft sind auf schnellen Fleischzuwachs hin gezüchtet. Mastschweine sollen Nahrung so effizient wie möglich in Fleisch und Fett umwandeln.

Die Webseite schweinerleben.ch hat viele spannende Fakten über Schweine zusammengetragen.

Muttersau mit Ferkeln

Bio Suisse schreibt mindestens 1,65 m2 pro Tier vor. In der konventionellen Landwirtschaft hat ein Schwein 0,9 m2 Platz auf der Liegefläche. Weil Schweine gerne gemeinsam fressen, ist es wichtig, dass sie genügend Fressplätze haben.

Das hängt mit ihrer Abstammung zusammen: Bei Wildschweinen nimmt die Futtersuche, das Schnüffeln, Graben in der Erde, Nagen und Beissen mehr als die Hälfte des Tages in Anspruch. In der Landwirtschaft werden die Tiere gefüttert – das Suchen und Wühlen fällt weg. Sie werden zwar satt, aber ihre Neugier und ihre Unternehmungslust werden nicht ausreichend befriedigt. Ohne Beschäftigungsmöglichkeit werden die Tiere krank; es drohen Verhaltensstörungen. Schweine können anfangen, leer zu kauen, in Stangen zu beissen oder andere Tiere zu verletzen.

Schweine sollten sich Teile ihres Futters selbst suchen können. Auf einer Weide haben die Tiere zudem die Möglichkeit, ihre natürlichen Verhaltensweisen auszuleben und in der Erde zu wühlen.

Von der Weide in den Saustall

Noch bis ins 19. Jahrhundert wurden Schweine im Freien gehalten und kamen nur für die Nacht in den Stall. Als die moderne Industriegesellschaft entstand, setzte sich die Stallhaltung auch für Schweine durch. Die Vorteile: Die Bäuerinnen und Bauern konnten die Fütterung, die Gesundheit der Tiere und die Zucht besser überwachen. Zudem liess sich so die wachsende Nachfrage nach Fleisch besser befriedigen.

Doch auch im Stall darf nie Langeweile aufkommen.

Schweine sind intelligente, soziale Tiere mit komplexen Bedürfnissen. In artgerechter Haltung nach Bio Suisse Richtlinien erhalten sie:

  • Auslauf im Freien
  • Den Schweinen muss täglich Gras (frisch oder siliert), Heu oder eine Ackerkultur, bei der die ganze Pflanze geerntet wird (frisch oder siliert), verfüttert werden.
  • Beschäftigungsmöglichkeiten
  • Gruppenhaltung mit Artgenossen

Bio-Schweinefleisch ist etwa 30 bis 40 Prozent teurer als Schweinefleisch aus konventioneller Haltung. Der Preis spiegelt die Kosten tierfreundlicher Produktion wider. Höhere Kosten entstehen durch das Bio-Futter und durch Zukäufe von biologisch aufgezogenen Tieren sowie durch die Gesamtbetrieblichkeit: Bio Suisse Betriebe wirtschaften komplett biologisch und haben ihr ganzes System auf Bio eingestellt. Das führt in allen Betriebszweigen zu höheren Kosten.

Schweine brauchen Beschäftigung

Schweine sind neugierig und verspielt. Deswegen ist im Tierschutzgesetz klar geregelt, dass sie beschäftigt werden müssen, egal ob sie konventionell oder nach Bio-Grundsätzen gehalten werden.

Im Stall brauchen Schweine Holzbalken zum Beissen oder um sich zu kratzen. Auch Raufen, aus denen die Tiere selbständig Stroh ziehen können, eignen sich zur Beschäftigung. Stroh und Einstreu sind auch für tragende Sauen wichtig, die sich damit kurz vor dem Abferkeln ein Nest bauen – wie es auch Wildschweine mit Laub und Zweigen tun.

Ideal sind Ställe mit Zugang ins Freie und mit verschiedenen Arealen zum Wühlen, wo die Tiere ihre natürlichen Verhaltensweisen ausleben. In der Bio-Haltung haben Schweine stets Zugang zu einem Aussenbereich.

Ja. Der Geruchssinn von Schweinen ist sehr gut ausgeprägt. Sie riechen besser als Hunde und können ihre Artgenossen sowie Futter aus der Distanz erschnüffeln. Ihr Geschmackssinn hingegen ist nicht sehr hoch entwickelt – was für den Allesfresser, der auch Aas nicht verschmäht, sinnvoll ist. Wie wir schmecken Schweine süss, sauer, bitter, salzig und umami. Den typischen Umami-Geschmack von Parmesan oder Sojasauce mögen sie besonders gern – sogar lieber als Süsses.

Fast nicht. Deswegen reagieren sie empfindlich auf hohe Temperaturen. Man muss Schweinen Abkühlung bieten, beispielsweise mit Duschen, Suhlen, Schwimmbecken oder Vernebelungsanlagen. Haben Schweine zu heiss, fressen sie weniger.

Schweine beim Suhlen

Die artgerechte Haltung von Schweinen nach Bio Suisse auf einen Blick

  • Schweine in Bio-Haltung bekommen fast ausschliesslich Bio-Futter. 95 Prozent sind biologisch, zudem sind bis zu 5 Prozent konventionelles Kartoffelprotein erlaubt.
  • Das Schweinefutter ist frei von Gentechnik und künstlichen Zusatzstoffen.
  • Auch die Einstreu in den Schweinekoben hat Bio-Qualität.
  • Im Liegebereich sind perforierte Böden verboten.
  • Scheuermöglichkeiten wie Kratzbürsten und Holzbalken sind ein Muss im Schweinestall.
  • Schweine haben einen permanent zugänglichen Auslauf. Ferkel müssen ab dem 24. Lebenstag ans Freie können.
  • Trächtigen Sauen, auch Galtsauen, muss eine Weide oder ein Wühlareal zur Verfügung stehen.
  • Ferkel werden mindestens sechs Wochen von der Muttersau gesäugt. Sie werden also doppelt so lange gesäugt wie Ferkel in konventioneller Schweinehaltung.
  • Bio-Bauernhöfe berücksichtigen die Witterung: Im Winter bieten sie den Schweinen einen von Wind und Wetter geschützten Stall mit langhalmigem Stroh zum Liegen, Kauen und Herumtollen an. Im Sommer ist zur Kühlung eine Suhle oder Dusche vorgeschrieben.
  • Es ist verboten, Antibiotika vorbeugend einzusetzen.

Schweinerassen mit extra Kotelett

Die Schweinerassen haben sich im Lauf der Zeit dem Geschmack der Konsument:innen angepasst: Aus England stammen Züchtungen wie das Large White, das viel fetten Speck produzierte. Später waren mageres Schweinefleisch und Koteletts gefragt. Deswegen wurden Schweine gezüchtet, die dieses Bedürfnis befriedigten und sogar solche, die mit einer zusätzlichen Rippe noch ein weiteres Kotelett lieferten. Die Leistung – gute Fruchtbarkeit, leichte Geburten und ein hoher Fleischzuwachs – spielte bei allen Züchtungen eine wichtige Rolle.

Duroc-Schwein
Foto: Bio Suisse
  • Schweizer Edelschwein
  • Schweizer Landrasse
  • Piétrain
  • Duroc (siehe Bild)

Beliebtes Fleisch

In der Schweinemast geht es um den Fleischzuwachs. Doch in der Haltung nach Bio Suisse Richtlinien können sich die Tiere mehr bewegen. Deswegen wachsen sie langsamer als konventionelle Tiere, was zur exzellenten Fleischqualität beiträgt. Weil Bio-Mastschweine mehr Heu und Gras fressen als konventionelle Schweine, enthält ihr Fleisch zudem mehr ungesättigte und mehrfach ungesättigte Fettsäuren. Diese Fette wirken entzündungshemmend und fördern die Herzgesundheit.

Schweinefleisch ist nicht zuletzt so beliebt, weil es sich für viele Zubereitungsarten eignet. Auch verarbeitete Fleischprodukte auf Rindfleischbasis enthalten häufig Schweinefleisch: Mit seinem Fettgehalt macht es Fleischprodukte saftiger und verbessert beispielsweise die Textur von Würsten.

Speck
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