Bio-Gitzifleisch: Nicht nur zu Ostern eine Delikatesse

04. April 2022

Eigentlich sind Ziegen die perfekten Nutztiere: sie fressen Pflanzen, die andere Tiere verschmähen, an Stellen, an die andere Tiere gar nicht erst hinkommen. Mit ihrem geringen Gewicht schonen sie dabei den Boden. Anna Pearson nimmt Sie mit zum Ziegenhof Geiss-Pur in die Bündner Berge. Sie spricht mit Knospe-Produzentin Ladina Lötscher über das Projekt «Bündner Bio-Berg-Gitzi» und kocht aus dem zarten Gitzi-Fleisch ein indisches Korma.

Ziegen sind geradezu prädestiniert für die Landschaftspflege in unseren Bergregionen. Sie sind aber nicht nur Lieferanten von Milch, sondern auch von schmackhaftem Fleisch. Während Ziegenmilchprodukte immer beliebter werden, wird in der Schweiz allerdings kaum Gitzifleisch gegessen – und wenn, dann hauptsächlich an Ostern und nur von Liebhabern. Das soll sich ändern: das Projekt «Bündner Bio-Berg-Gitzi» will die Fleisch-Spezialität auf unsere Teller bringen!

Ohne Gitzi kein Ziegenkäse
Das Fleisch der Gitzi wird kaum nachgefragt. Die Gründe dafür sind vielfältig: Es gibt Vorurteile hinsichtlich des Geschmacks, die Angst, das Fleisch könnte «böckeln». Anderen fällt es aus emotionalen Gründen schwer, das Fleisch von so «herzigen» Tieren zu essen. Oder: Interessierte finden Gitzi schlicht nicht im Fleischregal. Fakt ist jedoch: Will man Ziegen melken, braucht es auch Gitzi. Jede Ziege bringt pro Jahr ein bis zwei Jungtiere zur Welt. Nur wenige dieser Tiere werden allerdings aufgezogen, um später selbst Milch zu geben – die meisten Gitzi, insbesondere die männlichen Tiere, werden geschlachtet.

Erhältlichkeit von Gitzi-Fleisch

Eine Initiative der «Coop Patenschaft für Berggebiete» in Zusammenarbeit mit zehn Bio-Höfen im Bündner Berggebiet will Gitzifleisch wieder auf unseren Speiseplan bringen und den beteiligten Bio-Produzenten- und Produzentinnen ein faires Einkommen ermöglichen. Wir besuchen Ladina und Abraham Lötscher auf ihrem Hof in Pany.

Bio-Gitzifleisch auf dem Teller

Nun gibt es eine passende Plattform für den schweizweiten Vertrieb des Fleisches: Auf Initiative von Coop, der Coop Patenschaft für Berggebiete und des Plantahofs gibt es erstmals Mischpakete mit Pro Montagna Gitzifleisch zum Online-Bestellen. In jedem Paket befindet sich das Fleisch eines halben Gitzi: Gigot, Kotelettes und Voressen. Weitere Informationen: Bio-Gitzifleisch Pro Montagna

Einblick in den Bio-Geissenbetrieb Geiss-Pur

Die Familie Lötscher bewirtschaftet im Prättigau auf 1300 Metern einen Bio-Hof. 2016 haben sich die Lötschers auf die Ziegenhaltung spezialisiert und einen grossen, hellen Laufstall gebaut. Es duftet nach frischem Heu, die Ziegen liegen gemütlich wiederkäuend im Stroh, im Hintergrund meckern die Gitzi. 110 Ziegen der Rasse «Gämsfarbige Gebirgsziege» leben auf dem Hof, von Dezember bis Mai werden es täglich mehr: Im Januar sind bereits 106 Gitzi geboren, die ersten im Dezember, die jüngsten am Vortag. Ihre ersten Tage verbringen die Gitzi bei der Mutter, danach kommen sie mit gleichaltrigen Tieren in eine Art Gitzi-Kindergarten und werden mit der hofeigenen Bio-Milch gefüttert – allerdings mit jener von den ebenfalls auf dem Hof lebenden Kühen. Denn die etwa 2 Liter Milch, die jede Ziege pro Tag gibt, wird in der nahegelegenen Bio-Käserei Prättigau zu Käse-Spezialitäten verarbeitet.

Nach frühestens drei Monaten werden die ersten Gitzi geschlachtet. Lötschers vermarkten ihr Fleisch direkt im eigenen Hofladen und über ihren Webshop – am Anfang mussten sie etwas Überzeugungsarbeit leisten, inzwischen haben sie eine treue Kundschaft für das regionale Bio-Gitzifleisch. Ein Grundsatz der Lötschers lautet: «Wir halten nur so viele Milchziegen, wie wir Gitzi vermarkten können.» Andere Betriebe finden jedoch nur schwer den nötigen Absatz für ihre Gitzi und so landet deren zartes Fleisch oft in der Wurst – eine Rechnung, die für die Bauern und Bäuerinnen nicht aufgeht.

Damit zartes Gitzi-Fleisch nicht in der Wurst landet 
Lötschers wollen sich nicht damit abfinden, dass Gitzifleisch ein unerwünschtes Produkt sein soll, sie möchten es den Leuten als Delikatesse schmackhaft machen. Dank der Initiative der Coop Patenschaft für Berggebiete wurde die Projektgruppe «Gitzi mit Mehrwert» mit Ladina Lötscher als Produzentenvertreterin, Stefan Geissmann vom Plantahof und Coop lanciert.

Rezept-Idee mit Bio Gitzifleisch

Auch wenn Gitzi ein traditionelles Ostergericht ist – Gitzifleisch hat bis Herbst Saison. Man kann also auch später im Jahr nach den «Herbstgitzi» Ausschau halten und kreative Gerichte damit zubereiten, wie Anna Pearson Ihnen zeigt.

Indisches Gitzi-Korma

Gitzi eignet sich wunderbar für Schmorgerichte aus Indien, wo das Fleisch von jungen Ziegen ebenso wie Lammfleisch gerne gegessen wird. Für dieses nordindische Rezept wird Gitzi-Voressen mit Knochen in Joghurt und mit vielen Gewürzen zunächst über Nacht (oder wenigstens für ein paar Stunden) mariniert und danach darin weichgeschmort, bis das Fleisch von selbst vom Knochen fällt. Das lange Marinieren macht das Fleisch besonders saftig und würzig. Das Korma schmeckt – wie alle Schmorgerichte – aufgewärmt nochmals besser, man kann das Gericht deshalb bestens vorbereiten.

Zutaten
Für 4 Personen (als alleiniges Hauptgericht)

1.5 kg Gitzi-Voressen mit Knochen (oder ca. 800g Fleisch ohne Knochen)

Marinade

300 g Joghurt
6 Knoblauchzehen
2 daumengrosse Stück Ingwer
3 TL Koriandersamen
2 Chilischoten
1 TL schwarze Pfefferkörner
2 EL Tomatenpüree
1 1/2 TL gemahlene Chilischoten (Cayennepfeffer)
1/2 TL Kurkuma
1 Zimtstange
10 Nelken
12 Kardamomkapseln
2 TL Salz


4 Zwiebeln
6 EL Ghee (geklärte Butter/Bratbutter)
7.5 dl Wasser
1/2 Bund frischer Koriander

Zum Servieren: Bio-Basmatireis (siehe weiter unten) oder Naan (indisches Fladenbrot)
 

Zubereitung

Den geschälten Knoblauch und Ingwer an einer Zestenreibe fein reiben, alternativ sehr fein hacken. Die Koriandersamen bei mittlerer Hitze sanft rösten, abkühlen lassen und im Mörser fein mahlen. Die Chilischoten längs aufschneiden und die Kerne entfernen. Die Pfefferkörner im Mörser grob zerstossen. Alle Zutaten für die Marinade in ein Gefäss geben, in dem auch das Fleisch Platz hat und gut mischen. Das Fleisch dazugeben und mit der Marinade mischen. Mit Frischhaltefolie zugedeckt über Nacht im Kühlschrank marinieren.

3 Stunden vor dem Servieren die Zwiebeln fein schneiden. In einem Schmortopf Ghee zerlassen und die Zwiebeln einige Minuten bei mittelhoher Hitze unter gelegentlichem Umrühren darin anbraten, bis sie goldbraun sind. Fleisch und Marinade in die Pfanne geben, Wasser zugeben und alles aufkochen. Das Korma bei niedrigster Hitze zugedeckt 1 1/2 bis 2 Stunden schmoren, bis das Fleisch weich und die Sauce dick eingekocht ist. Dabei ab und zu umrühren. Wenn nötig mit zusätzlichem Salz abschmecken. Korma 1 Stunde stehen lassen und vor dem Servieren noch einmal aufkochen – es schmeckt so noch besser.
Mit frischem Koriander bestreut zu Bio-Basmatireis servieren, nach Belieben Chutney und Raita dazu reichen.
 

Basmatireis kochen

So gelingt Basmatireis auch ohne Reiskocher: 250g Bio-Basmatireis in ein Sieb geben und dieses auf eine Pfanne stellen. Unter fliessendem Wasser den Reis so lange waschen, bis das Wasser in der Pfanne klar ist. Wasser aus der Pfanne giessen und den kurz abgetropften Reis in die Pfanne geben. 4 dl kaltes Wasser zugeben. Die Pfanne auf den Herd stellen und ohne Deckel bei mittlerer Hitze aufkochen. Sobald das Wasser sprudelnd kocht, die Hitze auf die kleinste Stufe herunterdrehen und den Reis zugedeckt 12 Minuten köcheln lassen. Die Pfanne vom Herd nehmen und den Reis weitere 10 bis 15 Minuten zugedeckt quellen lassen, dann ist der Reis fertig. Wichtig: während des ganzen Koch- und Quell-Prozesses den Deckel niemals von der Pfanne nehmen.

Zur Person

Anna Pearson ist Köchin, Autorin und Designerin. Sie ist Mitglied der Organisation Slow Food und orientiert sich beim Kochen, Einkaufen und Schreiben an deren Grundsatz «Gut, sauber und fair». Mit ihrem Verlag, der Edition gut, vertreibt Anna Pearson ihre beiden Kochbücher «zu Tisch.» und «Pasta», verschiedene Küchenhelfer und bietet Pastakurse an. Ihr neues Kochbuch widmet sich dem Thema Fleisch und entsteht mit Bio Suisse als Partner.

Text: Anna Pearson in Zusammenarbeit mit Bio Suisse, Coop und dem Plantahof
Rezept und Bilder: Anna Pearson

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