Was bedeutet «Fleisch aus Gras»? Urs Vogt über Natura-Beef-Bio und die Mutterkuhhaltung

12. Oktober 2020

Natura-Beef-Bio steht für Fleisch von rund zehn Monate alten Jungrindern aus der Mutterkuhhaltung. Wir sprechen mit Urs Vogt, Geschäftsführer von Mutterkuh Schweiz, über die Vorteile der Weidetierhaltung und Aspekte der Nachhaltigkeit. Zudem erfahren Sie Wissenswertes über die Mutterkuhhaltung in der Schweiz.


Rindfleisch ist nicht gleich Rindfleisch. Herr Vogt, was bedeutet Natura-Beef-Bio genau?

Natura-Beef-Bio geht Hand in Hand mit der Natur. Die Tiere sind im Herdenverband zusammen mit Muttertieren, Kälbern und meistens einem Stier. Vom Frühling bis zum Herbst ist die Herde täglich auf der Weide und im Winter draussen im Laufhof. Im Stall sind eingestreute Liegeflächen obligatorisch und die Kälber können sich in den Kälberschlupf zurückziehen. Es müssen sowohl die Anforderungen des Natura-Beef-Produktionsreglement wie auch der Bio Knospe erfüllt sein, um Natura-Beef-Bio Fleisch verkaufen zu dürfen.

Können Sie uns aktuelle Kennzahlen zur Mutterkuhhaltung in der Schweiz nennen? Wie viele ihrer Produzenten sind beim Natura-Beef-Bio Programm dabei?

Beim Start vor nahezu fünfzig Jahren gab es nur eine Handvoll an Betrieben. Heute hat die Mutterkuhhaltung alle Regionen der Schweiz erobert. Das macht uns stolz und motiviert uns, für eine positive Entwicklung zu sorgen. Natura-Beef-Bio wird auf über 1000 Bauernbetrieben produziert. Das Markenprogramm Natura-Beef-Bio wurde 2002 gegründet. Die Nachfrage nach Bio wächst und auch mehr Produzenten sind an der Biolandwirtschaft interessiert.

Im Portrait

Mutterkuh Schweiz ist die Vereinigung der Mutterkuhhalter. Der Verein wurde 1977 gegründet und zählt heute rund 5‘900 Mitglieder. Die Geschäftsstelle befindet sich in Brugg (AG) und beschäftigt 25 Mitarbeitende.Der Tätigkeitsbereich reicht von Vermarktung über Tierzucht und Kommunikation bis hin zur Politik. Es ist dem Verein zu verdanken, dass sich die Mutterkuhhaltung in der Schweiz als zukunftsträchtiger Produktionszweig etablieren konnte. Für viele Bauernbetriebe ist die Mutterkuhhaltung zu einem wichtigen Standbein geworden. Dieses Jahr ist das 40-jährige Jubiläum des Markenprogramms Natura-Beef. Fleischqualität mit dem Label Natura-Beef-Bio gibt es seit 2002.

Mutterkuh Schweiz

Natura-Beef-Bio konnte sich auf dem Markt etablieren. Wieso ist Natura-Beef-Bio besonders sinnvoll?

Mit Natura-Beef-Bio wird aus Gras, das für die menschliche Ernährung nicht von Nutzen ist, feines Fleisch. Die Tiere pflegen die vielen Wiesen und Weiden vor allem im Hügel- und Berggebiet, die sonst kaum oder nur schwer zu bewirtschaften sind. Ausserdem hat die Mutterkuhhaltung den Vorteil, einen Beitrag zum ländlichen Bild und zur Ökologie beizutragen. Auch das Tierwohl steht ganz klar im Fokus, denn die Tiere können auf der Weide artgerecht leben.

Können Sie auf die Aspekte des nachhaltigen Weidens eingehen?

Die Bauern kennen die Regeln für das Weiden. Damit der Pflanzenbestand im Gleichgewicht bleibt, braucht es eine gute Beobachtungsgabe und einen regelmässigen Standortwechsel. Die Weide ist die effizienteste Fütterungsmethode und für die Umwelt zugleich die freundlichste Bewirtschaftungsform. Die Futteraufnahme und die Düngung erfolgen direkt vor Ort. Weder Futter noch Dünger müssen transportiert werden. Von der Weide profitieren die Mutterkühe ausserdem mit besserer Gesundheit, was sie dem Bauern wiederum mit Langlebigkeit danken. Zudem begünstigt die Weide eine grosse Biodiversität an Gräsern, Kräutern und Kleinlebewesen.

Zur Person

Urs Vogt ist seit 1989 Geschäftsführer von Mutterkuh Schweiz. Er ist Agro-Ingenieur HTL und hat das Nachdiplomstudium Executive in Leaderchip und Management NDS-HF absolviert. Er ist auf einem Kleinbauernbetrieb in Erschwil im Solothurner Jura aufgewachsten, verheiratet und Vater von drei erwachsenen Kindern.


Wie sollte man sich verhalten, wenn man selbst auf Mutterkuhherden trifft, zum Beispiel beim Wandern?

Mutterkühe sind gutartig. Sie wollen aber ihre Kälber schützen. Bei Wanderungen im Sömmerungsgebiet gilt es Abstand zu halten, keine Kälber zu streicheln und Hunde an der Leine zu führen. Die Bauern müssen Schutzkonzepte einhalten und wir bitten die Wanderer, dies auch zu tun. Ein natürlicher Respekt und Abstand helfen dabei.

Wie lange sind die Weide-Rinder in der Regel draussen?

Die Bestimmungen verlangen, dass die Tiere mehrere Stunden pro Tag auf der Weide sein müssen. Das Weideverhalten der Mutterkuhherden ist interessant zu beobachten. Meistens gehen die Leitkühe voraus. Ihnen folgen dann die anderen Kühe und der Stier. Die Kälber sind stetig in Bewegung. Neben dem Spieldrang und dem Grasfressen suchen sie regelmässig die Mutter auf, um am Euter zu trinken.

Und wie werden Natura-Beef-Bio Rinder im Winter gehalten?

Mutterkühe sind robust und widerstandsfähig. Auch die Kälber machen sich nichts aus Minustemperarturen und deshalb fühlen sie sich in einem Kaltstall am wohlsten. Der Bauer muss aber Acht geben, dass immer trockene Einstreue vorhanden ist und kein Durchzug entsteht. Teilweise sind die Tiere bei Schnee und Kälte im Laufhof und teilweise bei warmer Wintersonne im Innenbereich. Für Natura-Beef-Bio ist wichtig, dass die Tiere ihren Wohlfühlbereich selber auswählen können.

Zu guter Letzt: Wie ist die Natura-Beef-Bio Fleischqualität und schmeckt man einen Unterschied?

Die natürliche Haltung und Fütterung verleihen dem Fleisch eine spezielle Note. Es ist zart und aromatisch. Zudem zeichnet es sich durch eine hohe «Geling-Garantie» beim Grillieren, Braten und Kochen aus. Die Produktequalität wird von den Bauern und Metzgern kontrolliert. Schliesslich wollen wir auch auf dem Teller überzeugen. Natura-Beef-Bio kann bei Coop und in der Direktvermarktung gekauft werden. Achten Sie auf das Label Natura-Beef-Bio oder fragen Sie direkt vor Ort und überzeugen Sie sich von der hohen Qualität.

Maya Frommelt im Gespräch mit Urs Vogt, Geschäftsführer Mutterkuh Schweiz
Fotos: Mutterkuh Schweiz

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