Eddy Jeannerets langer Weg zum Gruyère AOP Bio

06. November 2020

Seit Anfang 2020 verarbeitet eine Käserei im Vallée de la Brévine Biomilch zu Gruyère AOP. Dafür kämpfte ein Bio-Landwirt während zehn Jahren. Eine Geschichte mit Hürden.

Im Portrait


Eddy Jeanneret ist Bio-Landwirt in La-Cheux-de-Milieu (Neuenburg), er hält 42 Milchkühe und 2000 Legehennen. Er wollte seit Beginn an Wege für die Veredlung von Biomilch im Vallée de la Brévine finden und nahm viel auf sich, um den heutigen Gruyère AOP Bio auf den Markt zu bringen. Die Anpassung der Herdengrösse und Betriebsstruktur waren Teile davon.
Im Keller der Käserei im neuenburgischen Les Sagnettes herrscht fast andächtige Stille. Gestört wird sie einzig durch den Käsepflegeroboter, der die Laibe mit Salzlake schmiert. Jetzt, mitten am Nachmittag, ist es noch ruhig vor dem Käsereigebäude. Doch bald bildet sich eine Schlange von mehreren Dutzend Produzentinnen und Produzenten vor dem Gebäude an der Verbindungsstrasse zwischen dem Vallée de la Brévine und dem Val de Travers. Sie alle wollen ihre Milch abliefern. Ein Grossteil davon wird hier zu Gruyère AOP (Appellation d’Origine Protégée, geschützte Ursprungsbezeichnung) verkäst.
Die Knospe-Produzenten sind am Schluss an der Reihe. Seit Januar liefern vier Biolandwirte dem Hausherrn Philippe Geinoz zweimal täglich ihre Milch ab. Der Käser, der den Betrieb seit 22 Jahren führt, produziert daraus Gruyère AOP Bio.
«Eine einmalige Gelegenheit, die wir ergreifen wollten. Deshalb haben wir unsere Käserei umgehend vergrössert und die Produktionskapazität um einen Drittel erhöht», sagt Philippe Geinoz. Doch bis das «Projekt Gruyère AOP Bio» so weit war, mussten erst zehn Jahre ins Land ziehen.
Initiant des Projekts ist Eddy Jeanneret, ein Bio-Landwirt aus dem einige Kilometer entfernten La Chaux-du-Milieu. Seit der Umstellung seines Betriebs auf Bioproduktion im Jahr 2010 hat er entschlossen darauf hingearbeitet, Mittel und Wege für die Veredlung von Biomilch im Vallée de la Brévine zu finden. «Ich musste lange kämpfen, um meine Kollegen, die verschiedenen Milchgenossenschaften der Region und die Käser zu überzeugen», erinnert sich der 41-Jährige, der heute einen 80-Hektaren-Betrieb mit 45 Milchkühen und 2000 Legehennen führt. «Die Sortenorganisation Gruyère stellte klare Bedingungen. Wir mussten Milch und damit Produzentinnen und Produzenten für eine Jahresmilchproduktion von 700 000 Kilogramm finden.»

Gut Ding will Weile haben

Anfang der 2010er-Jahre hat die Bioproduktion in der Region noch ein sehr schlechtes Image. Eine zu geringe Produktivität und mangelnde Professionalität wird ihr angelastet. Eddy Jeannerets Vorschlag stösst auf wenig Begeisterung. Er wird belächelt. Hinzu kommt, dass der Markt für Gruyère AOP Bio nur mühsam Fahrt aufnimmt und rasch gesättigt ist. «Ich fand mich mehr oder weniger damit ab», erzählt Eddy Jeanneret. Immerhin habe er dank der Bioproduktion seinen Betrieb, der zwei Familien eine Lebensgrundlage bietet, erhalten können. «Das war doch schon was.»
Trotz Ablehnung lässt der beharrliche Neuenburger nicht von seinem Projekt ab. Mehrere seiner Berufskollegen stellen ebenfalls auf Bioproduktion um. Gleichzeitig trifft Käser Philippe Geinoz in Les Sagnettes die nötigen Vorkehrungen, um eines Tages Biomilch verarbeiten zu können. Er ist vom Vorhaben des Landwirts überzeugt.
Doch gut Ding will Weile haben, wie es so schön heisst. Das wissen sowohl Philippe Geinoz als auch Eddy Jeanneret. Im Frühjahr 2019 folgt dann die für sie erfreuliche Nachricht: Die Marktsituation des Gruyère AOP Bio entspannt sich, die Sortenorganisation erhöht die Volumen und bietet den Neuenburgern ein entsprechendes Kontingent an. «Wir mussten uns bereithalten, um sofort auf den rollenden Zug aufspringen zu können», sagt Eddy Jeanneret.
In nur wenigen Wochen müssen er und seine drei Kollegen Wege zur Erhöhung ihrer Milchproduktion finden, wofür sie teilweise erhebliche Anpassungen ihrer Strategie und ihrer Betriebsstruktur in Kauf nehmen. «Ich verdoppelte quasi die Herdengrösse meiner Milchkühe und verkaufte meine zwanzig Mutterkühe. Das Stallmanagement und die Fruchtfolge musste ich umkrempeln. Für mich eine kleine Revolution, doch sie war mir willkommen!»

Doppelte Infrastruktur

Auf der anderen Seite baut Philippe Geinoz seine Käserei aus und verdoppelt die Kapazitäten von Produktion und Reifungskeller. Die Bauarbeiten für einen neuen Verarbeitungsraum und der Aushub für den Reifungskeller werden im Eiltempo vorangetrieben: «Wir hatten keine Minute zu verlieren. Zum Glück hatte ich das Ausbauprojekt schon Jahre zuvor ausgearbeitet. Die Pläne lagen bereit. Wir konnten unverzüglich loslegen.» Heute kann Philippe Geinoz 2,8 Millionen Liter Milch verkäsen. Und im Keller reifen 185 Tonnen Käse, 65 Tonnen davon in Bioqualität.
Die ganze Einrichtung der Käserei, ausser der Infrastruktur für die Milchannahme, ist nunmehr zweifach vorhanden. «Ich habe einen eigenen Verarbeitungsraum für die Bioproduktion eingerichtet. Er ist mit einem 4000-Liter-Kessi und mit einer Serie von acht Pressen ausgestattet und könnte vom Platz her die doppelte Kapazität aufnehmen», sagt Philippe Geinoz. Er ist überzeugt davon, dass die Zukunft seines Unternehmens ein Stück weit im Biosektor liegt. «Die Nachfrage der Konsumentinnen und Konsumenten ist da. Das Angebot muss jetzt nachziehen», sagt er und fordert damit die Produzentinnen und Produzenten der Region dazu auf, eine Betriebsumstellung ins Auge zu fassen.

Eine Nische, die glücklich macht

Knapp ein Jahr nach Inbetriebnahme gelangen die ersten Gruyère AOP Bio zur Veredlung in die Waadt, zum Affineur Margot Fromages in Yverdon-les-Bains. Danach werden sie hauptsächlich über die grossen Schweizer Detailhändler verkauft, aber auch exportiert: nach Frankreich, England, Deutschland und Russland. «Obwohl die Nachfrage im Inland zunimmt, bleibt es ein Nischenprodukt», relativiert Gilles Margot. Der Affineur erzielt mit den 100 Tonnen Gruyère AOP Bio nur zwei Prozent seines Umsatzes.
So winzig die Nische auch sein mag – dass Eddy Jeanneret seit dem 1. Januar 2020 endlich Gruyère-Laibe in die Presse einspannen lassen kann, macht ihn glücklich. «Nach zähen Jahren, die Geduld und Beharrlichkeit erforderten, war es endlich geschafft», erinnert sich der fünffache Vater.
Text und Bilder: Claire Müller
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