Mehr Konsumanreize und eine soziale Perspektive in der Agrar- und Ernährungspolitik AP30+
Bio Suisse begrüsst, dass das Bundesamt für Landwirtschaft BLW für die AP30+ neue Instrumente prüft. Insbesondere Zielvereinbarungen mit dem Detailhandel und Massnahmen bei der Gemeinschaftsgastronomie können die Nachfrage nach ökologischen und tierfreundlichen Schweizer Produkten stärken. Es braucht aber auch finanzielle Anreize sowohl auf Konsum- wie auf Produktionsseite, damit Ökologie auch wirtschaftlich funktioniert.
Die Schweizer Landwirtschaftsbetriebe brauchen Klarheit und Orientierung, damit sie mit ihrer Ausrichtung auf das übergeordnete Zielbild des Bundes hinarbeiten können. Das gilt für Betriebe, die stärker auf das Direktzahlungssystem ausgerichtet sind, wie für Betriebe, die sich am Markt orientieren. Bio Suisse unterstützt die Stossrichtung des BLW und begrüsst, dass neue Instrumente geschaffen werden sollen, die entlang der gesamten Wertschöpfungskette bis zum Konsum Anreize setzen.
Zielkonflikte lösen bringt Vereinfachung
Politisch angelegte Zielkonflikte müssen auch politisch gelöst werden. Raumplanung, Ernährung, Gesundheit, Umweltrecht und Agrarpolitik müssen zusammen betrachtet werden und es braucht dort eine Analyse, wo Gesetze widersprüchliche Anforderungen an die Landwirtschaft stellen.
Die gute Botschaft: In der Schweiz haben wir für all das eine gute Ausgangslage mit dem Direktzahlungssystem und einer engagierten Wertschöpfungskette. Dieses System kann aber noch optimiert werden, um Zielkonflikte besser und effizient zu lösen.
Der Einbezug des Detailhandels wie auch der Konsumtent:innen ist ein wichtiger Hebel, um die Zielkonflikte für die Landwirtschaft zu reduzieren. Nur so gelingt es, gemeinsame Ziele für die gesamte Wertschöpfungskette festzulegen. Gute Partnerschaften und eine vertrauensvolle Zusammenarbeit innerhalb der Wertschöpfungskette sind ein «hohes Gut» und ein Schlüsselfaktor gerade für die Schweiz. Die Schweizer Landwirtschaft und insbesondere ihre Label leben von der Glaubwürdigkeit und vom grossen Vertrauen der Bevölkerung.
Wichtige Themen fehlen: Klima, Berg- und Alpwirtschaft, Biodiversität
Das Klimathema fehlt noch komplett im Gesamtkonzept des BLW. Das ist besorgniserregend, denn durch Extremwetterereignisse steht die Landwirtschaft bereits heute unter Druck. Und das wird sich weiter akzentuieren. Es braucht Massnahmen für die Anpassung an den Klimawandel (z.B. beim Wasser/ Bewässerung/Wasserspeicher, Wasser-Retention im Boden, baulichen Pflanzenschutz, Resilienz der Anbausysteme, robuste Sorten) und eine rasche Umsetzung der Klimastrategie des BLW. Konkret werden auf die Betriebe hohe Kosten in Form von Schäden (Ernteausfälle) oder notwendige Anpassungsinvestitionen zukommen.
Die Massnahmen zur Strukturverbesserung müssen besser darauf ausgerichtet werden, so dass Klimaanpassungen finanziert werden können. Bewirtschaftungsmethoden des Biolandbaus wirken sich bezüglich einer Klimaanpassung positiv auf die Bodeneigenschaften aus und sollten daher in der AP 30+ gefördert werden.
Im Gesamtkonzept zur AP 30+ fehlt zudem ein konkreter Ansatz, wie die Einkommensdiskrepanz zwischen Tal- und Berggebieten verringert werden kann. Für nachhaltige Betriebe im Berggebiet sind Direktzahlungen ein wichtiger Beitrag, um die Arbeit zu entlöhnen. Gerade Bio-Betriebe leisten sehr viel für die Biodiversität im Berggebiet. Diese Leistungen müssen weiter gestärkt werden.
Ebenfalls fehlt die soziale Dimension im Gesamtkonzept und in den Überlegungen des BLW. Dabei werden diese Themen die Landwirtschaft stark beschäftigen, u.a. auch aufgrund des vermehrt anstehenden Generationenwechsels. Der Schweizer Bäuerinnen- und Landfrauenverband SBLV hat als einzige Organisation bisher öffentlich Vorschläge dazu eingereicht. Ein sehr wichtiger Punkt, der darin aufgegriffen wird, ist der anhaltend hohe Anteil an Gratisarbeit in der Landwirtschaft und deren Verteilung auf die Geschlechter. Die soziale Dimension ist für die Erreichung der ökologischen und ökonomischen Ziele zentral und muss konkret adressiert werden in der AP 30+.
Unverständlich ist zudem, warum nicht auch bezüglich Gemeinschaftsgastronomie Ziele definiert werden. 50 Prozent der Mahlzeiten werden ausser Haus eingenommen. Hier gibt es bereits zahlreiche und erprobte Konzepte in diversen Kantonen und Städten.